Шрифт:
1 Николай Леонидович Оболенский, внучатный племянник Толстого, в то время жених М. Л. Толстой.
2 Дора Федоровна Толстая.
3 «Седуном» в семье Толстых называли В. А. Маклакова.
136. В. Г. Черткову от 13 октября.
137. Эугену Генриху Шмиту (Eugen Heinrich Schmitt).
1896 г. Октября 12. Я. П.
Lieber Freund,
Sie schreiben, die Menschen k"onnten es nicht begreifen, wieso die Theilnahme am Staatsdienste mit dem Christenthnnie unvereinbar w"are.
Ebenso konnten lange Zeit hindurch die Menschen auch das nicht begreifen, dass Indulgentien, Inquisitionen, Sclaverei und Folter mit dem Christenthume unvereinbar w"aren; es kam jedoch die Zeit und dies wurde begriffen, ebenso wird auch eine Zeit kommen, wo — vorerst die Unvereinbarkeit des Milit"ardienstes mit dem Christenthume (was bereits begonnen), sodann auch des Staatsdienstes im allgemeinem, begriffen wird.
Schon vor 50 Jahren, hat Thoreau,1 ein zwar wenig bekannter, jedoch h"ochst bemerkenswerther amerikanischer Schriftsteller in seinem herrlichen Aufsatze,2 welcher eben in der Revue Blanche des 1 November unter dem Titel: «D'esob'eir aux lois» "ubergesetzt ist, nicht nur die Pflicht des Menschen der Regierung nicht Folge zu leisten klar ausgedr"uckt, sondern auch in That ein Beispiel der Nichtfolgeleistung selbst geliefert. Er weigerte sich die an ihm geforderten Steuern zu zahlen, da er es nicht w"unschte als Theilnehmer einer Regierung beihiJflich zu sein, die die Sclaverei gesetzlich besch"utzte, und wurde deswegen zum Kerker verurteilt, wo er auch seinen Aufsatz schrieb.
Thoreau weigerte sich dem Staate die Steuerabgabe zu verrichten, es ist selbstverst"andlich, dass der Mensch auf dieser selben Grunglage dem Staate nicht dienen kann, wie Sie es so sch"on in Ihrem Briefe an den Minister ausgedr"uckt haben, dass sie es n"amlich f"ur unvereinbar halten mit der sittlichen Ehre einer solchen Institution Staatsdienste zu leisten, welche der Vertreter des gesetzlich geheiligten Menschenmordes und der gesetzlich geheiligten Ausbeutung ist.
Thoreau, wie es mir scheint, war der erste, der dieses vor 50 Jahren ausgesprochen hat. Damals hat Niemand seiner Weigerung und seinem Aufsatze Aufmerksamkeit geschenkt,—so sonderbar erschien dieses. Man erkl"arte es als Excentricit"at.3 Jetzt aber nach 50 Jahren ruft ihre Weigerung schon Gespr"ache hervor, wie immer bei der "Ausserung neuer Wahrheiten der Fall ist, ruft doppeltes Staunen hervor, einerseits Staunen dar"uber, dass ein Mensch derartig sonderbare Dinge "aussert, und zugleigh auch Staunen darob, wieso ich selbst schon l"angst nicht darauf gekommen bin, was dieser Mensch da sagt, da es so augenscheinlich und unzweifelhaft ist.
Derartige Wahrheiten, wie die ist, dass der Christ kein Soldat, d. h. kein M"order, auch kein Diener einer Institution sein kann, welche auf Gewalt und Mord beruht, sind so unzweifelhaft, so einfach und so unst"urzbar, dass es keiner Er"orterungen, keiner Beweisf"uhrung, keiner Sch"onrederei dazu bedarf; um dass sie von den Menschen angeeignet werden, n"othig ist’s nur nicht aufh"oren dieselben zu wiederholen, damit sie von der Mehrzahl vernommen und begriffen werden.
Wahrheiten, wie die, dass der Christ kein Theilnehmer beim Morde sein kann, dass er nicht dienen, weder einen vermittelst der M"orderanf"uhrer gewaltth"atig von den Armen erpressten Gehalt beziehen kann, sind so einfach und unanfechtbar, dass ein Jeder, welcher sie h"ort, unm"oglich damit nicht "ubereinstimmen kann. Falls einer, der sie geh"ort hat, dennoch fortf"ahrt im Gegensatz zu diesen Wahrheiten zu handeln, so geschieht solches nur deswegen, weil er gewohnt ist, ihnen entgegen zu handeln, weil es ihm schwer f"allt sich zu "uberw"altigen, weil die Mehrzahl auch so, wie er, handelt, infolgedessen das Nichtbefolgen dieser Wahrheiten ihn der Achtung der Mehrzahl der von ihm Geachteten nicht entledigt.
Es geschieht da dasselbe, was beim Vegetarismus. «Der Mensch kann leben und gesund sein, ohne T"odten von Thieren f"ur seine Nahrung, folglich wirkt er dem Thierest"odten bei, falls er Fleisch isst, einzig der Lust seines Gaumens zu lieb. So zu handeln ist unsittlich». Dies ist so einfach und zweifellos, dass man nicht umhin kann, damit nicht "ubereinzustimmen. Da jedoch die Mehrzahl noch Fleisch isst, so erwiedern die Menschen, nachdem sie solche Auseinandersetzung gah"ort und begriffen, so hart lachend hierauf: «ein gates St"uck Beafsteaks ist dennoch ein pr"achtiges Ding, und ich werde es mit Vergn"ugen heute zu Mittag verzehren».
Ganz so verhalten sich jetzt Offiziere und Beamte gegen"uber der Beweisf"uhrung betreffs der Unvereinbarkeit nicht nur des Christenthums, aber auch der Humanit"at mit dem Milit"ar und Staatsdienste. «Selbstverst"andlich ist es richtig, sagt der Beamte,— dennoch aber ist es angenehm eine Uniform und Epoletten zu tragen, die einem "uberall Eingang und Achtung schaffen, und noch angenehmer ist’s unabh"angig von jeder Eventualit"at, p"unktlich und sicher jeden Ersten des Monats seinen Gehalt zu beziehen. So dass Euere Er"orterung wohl richtig ist, ich jedoch werde trachten Zulage und Pension zu bekommen». Ihre Er"orterung ist richtig, sagt der Fleischesser, aber erstens braucht der Ochse nicht eigenh"andig get"odtet [zu] werden, da er bereits get"odtet ward, und braucht man nicht selber Steuern sammeln, da solche bereits gesammelt sind, und man kann im Milit"ar dienen ohne gen"othigt zu sein eigenh"andig Menschen zu t"odten; zweitens, hat die Mehrzahl der Menschen diese Er"orterung nicht geh"ort und weiss auch nicht, dass es b"ose sei, so zu handeln. Und so kann man denn fortbestehen, ohne sich von Beafsteaks und von der so vieles Angenehme bietende Uniform, den Orden und haupts"achlich des allmonatlichen sicheren Gehaltes zu trennen. «Und was dann — das wird sich schon zeigen.»
Die ganze Sache h"alt sich darauf, dass die Menschen die Er"orterungen, welche Ihnen die Ungerechtigkeit und Schuld ihres Lebens blosstellen, nicht geh"ort haben. Und deswegen soll man nicht aufh"oren, sie zu wiederholen.
Carthago delenda est...4 Und Carthago wird ohne Zweifel fallen.
Ich behaupte nicht, dass der Staat und seine Macht aufh"oren wird, diese wird nicht so bald noch aufh"oren, es giebt noch gar viel rohe Elemente in den Massen, welche sie noch aufrechterhalten, — jedoch es wird die christliche St"utze des Staates vernichtet, d. h. die Gewaltaus"uber werden aufh"oren ihre Autorit"at mit der Heiligung des Christenthumes zu sch"utzen. Gewaltausf"uhrer werden Gewaltausf"uhrer heissen und nichts mehr. Und sobald solches geschehen ist, wird es ihnen unm"oglich sein sich mit dem Pseudochristenthume zu manteln, dann wird auch das Ende jeder Gewaltt"atigkeit nahe sein.