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SIE: Das hab' ich bei den Kunden aufgefangen. Unter denen gibt es durchaus auch intelligente. (Betont.) Manchmal auch mit akademischen Grad.
ER: (Wirft ihr einen pr"ufenden Blick zu.) Wissen Sie irgendetwas "uber mich?
SIE: Kann sein.
ER: Ich sehe, bei Ihnen muss man auf der Hut sein. Und um Worte sind Sie auch nicht verlegen.
SIE: Verlegenheit ist meine Sache nicht.
ER: (Sieht sie wieder aufmerksam an.) Ich kann Sie einfach nicht durchschauen.
SIE: Ich denke, das lohnt sich nicht. Sie w"urden es bedauern.
ER: Sie gleichen keiner gew"ohnlichen Prostituierten.
SIE: Ich sehe, Sie haben eine reiche Erfahrung. Ungeachtet Ihrer K"alte, Standhaftigkeit und des Widerwillens wissen Sie von irgendwoher, wem Prostituierte gleichen.
ER: Aus dem Kino.
SIE: Seien Sie nicht bescheiden! Sagen Sie lieber, wie Nachtschw"armer aussehen und sich verhalten.
ER: Ich weiss nicht… Wahrscheinlich hemmungsloser.
SIE: Sie wollten wohl sagen, „aufreizender“. Sagen wir, so. (Schl"agt die Beine "ubereinander, macht eine Schulter frei, streift den Saum des Kleids bis zur "aussersten Grenze und steckt sich eine „virtuelle“ Zigarette an.) "Ahnlich?
ER: (Unwillk"urlich l"achelnd/schmunzelnd.) Wahrscheinlich.
SIE: Gef"allt Ihnen das?
ER: Ja und nein. Es st"osst ab… aber zieht auch an.
SIE: Danke f"ur das offenherzige Bekenntnis.
ER: (Giesst ihr aus einer Karaffe ein.) Etwas Wodka?
SIE: Was denn, trinken denn solche M"adchen in den Filmen immer Wodka? Ich geh' selten ins Kino, aber ich dachte, dass deren eigentliche Besch"aftigung eine ganz andere ist.
ER: Wenn Sie nicht wollen, trinken Sie nicht! Ehrlich gesagt, ich mag ihn {Wodka} auch nicht.
SIE: Also, und wie stehen Sie zu den Frauen des Freien Berufs.
ER: (Zuckt mit den Schultern.) Ich weiss nicht. Wenn sie schon existieren, werden sie wohl von jemandem gebraucht.
SIE: Aber nicht von Ihnen.
ER: Nicht von mir.
SIE: Womit haben die Sie denn so ver"argert?
ER: Damit, dass sie sich allen und jedem hingeben.
SIE: Warum sollten sie denn nicht demjenigen Vergn"ugen bereiten, der daran Bedarf hat? Ich w"urde sagen, das ist sogar unsere weibliche Aufgabe. (Mit gespielter Feierlichkeit.) Schon Platon hat best"atigt, dass wir nicht nur f"ur uns selbst leben sollten, sondern teilweise auch der "Offentlichkeit geh"oren, teilweise den Freunden.
ER: Sie sind aber gut beschlagen.
SIE: Das Leben ist der beste Schmied. Es schmiedet manchmal so hart, dass dir beim Ritt der Kopf dr"ohnt.
ER: Was immer du auch sagst, sich zu verkaufen ist unmoralisch.
SIE: Irgendwie verkaufen wir alle unsere Zeit, unsere Dienste, unsere Arbeit. Ist es Ihrer Meinung nach moralischer, wenn eine Frau am Fliessband steht, sich das Kreuz auf dem Bau verbiegt oder Erde umgr"abt? Und ausserdem, die, die Sie so angreifen, faulenzen nicht, sondern arbeiten. In Amerika nennt man solche Damen „sexual workers”, sexuelle Arbeiter, und sie sind in einer Gewerkschaft organisiert. In Holland nennt man sie poetischer „Froelichsm"adchen”, “ Freudenm"adchen”. Bei uns dagegen verleiht man ihnen wer weiss was f"ur welche Namen, von Schimpfworten ganz abgesehen.
ER: Verdienen sie denn nicht solche Bezeichnungen?
SIE: Welche verdienen dann die M"anner, die deren Dienste in Anspruch nehmen?
ER: Nun, es gibt einen Unterschied.
SIE: Versteht sich, es gibt einen. "Offentliche Frauen, die machen das wenigstens wegen des Verdienstes. Aber M"anner aus Wollust und Perversit"at.
ER: Ich hoffe, Sie meinen nicht mich?
SIE: Nein, nicht Sie. Nat"urlich nicht Sie. Sie sind tadellos. (Erhebt sich und nimmt ihre Tasche.) Ich werde Ihnen wohl nicht weiter mit meiner Gesellschaft l"astig werden. Ich habe Sie ein bisschen gereizt, und damit Schluss. Ihre Aufzeichnungen sehnen sich nach Ihnen. Alles Gute.
ER: Warten Sie… Wohin gehen sie?
SIE: Ich hab' Sie schon lange genug angeh"ort.
ER: Ich vertreibe Sie eigentlich gar nicht.
SIE: Und wer hat den Punkt auf das I gesetzt und Klarheit geschafft?
ER: Nun, ich war ein bisschen schroff.
SIE: Sind Sie wirklich nicht b"ose?
ER: Nein. Weshalb? Und mir war zugegeben ziemlich einsam. Draussen ist eine abscheuliche Herbstnacht, K"alte und Wind…
SIE: Dann gehen Sie schlafen!
ER: Zu mir ins Zimmer? Dort herrscht t"odliche Langeweile. Und ich schlaf' trotzdem nicht ein.
SIE: Qu"alt Schlaflosigkeit?
ER: (Nickt.) Eigentlich, ja. Chronische.
SIE: Nun gut, dann werde ich noch ein bisschen bei Ihnen bleiben.
ER: Vielleicht bestellen wir etwas?
SIE: Kein Bedarf, danke. Ich will Sie nicht ruinieren.
ER: Mein Geldbeutel wird diesen Schlag verkraften.
SIE: Nein, ich danke Ihnen.
ER: Dann eine Tasse Kaffee?
SIE: Nein.
ER: (Ergreift die Karaffe.) Vielleicht trotzdem etwas Kr"aftiges? (Da sie ihn, statt zu antworten, nur schweigend ansieht, f"ahrt er fort.) Wer sind Sie eigentlich?