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Er kam zum FlXsse, er bat den Alten um berfahrt, und da sie drXben aus dem Boot stiegen, sagte er zum Alten: "Viel Gutes erweisest du uns MXnchen und Pilgern, viele von uns hast du schon Xbergesetzt. Bist nicht auch du, FXhrmann, ein Sucher nach dem rechten Pfade?"
Sprach Siddhartha, aus den alten Augen lXchelnd: "Nennst du dich einen Sucher, o EhrwXrdiger, und bist doch schon hoch in den Jahren, und trXgst das Gewand der MXnche Gotamas?"
"Wohl bin ich alt," sprach Govinda, "zu suchen aber habe ich nicht aufgehXrt. Nie werde ich aufhXren zu suchen, dies scheint meine Bestimmung. Auch du, so scheint es mir, hast gesucht. Willst du mir ein Wort sagen, Verehrter?"
Sprach Siddhartha: "Was sollte ich dir, EhrwXrdiger, wohl zu sagen haben? Vielleicht das, dass du allzu viel suchst? Dass du vor Suchen nicht zum Finden kommst?"
"Wie denn?" fragte Govinda.
"Wenn jemand sucht," sagte Siddhartha, "dann geschieht es leicht, dass sein Auge nur noch das Ding sieht, das er sucht, dass er nichts zu finden, nichts in sich einzulassen vermag, weil er nur immer an das Gesuchte denkt, weil er ein Ziel hat, weil er vom Ziel besessen ist. Suchen heiXt: ein Ziel haben. Finden aber heiXt: frei sein, offen stehen, kein Ziel haben. Du, EhrwXrdiger, bist vielleicht in der Tat ein Sucher, denn, deinem Ziel nachstrebend, siehst du manches nicht, was nah vor deinen Augen steht."
"Noch verstehe ich nicht ganz," bat Govinda, "wie meinst du das?"
Sprach Siddhartha: "Einst, o EhrwXrdiger, vor manchen Jahren, bist du schon einmal an diesem Flusse gewesen, und hast am Fluss einen Schlafenden gefunden, und hast dich zu ihm gesetzt, um seinen Schlaf zu behXten. Erkannt aber, o Govinda, hast du den Schlafenden nicht."
Staunend, wie ein Bezauberter, blickte der MXnch in des FXhrmanns Augen.
"Bist du Siddhartha?" fragte er mit scheuer Stimme. "Ich hXtte dich auch diesesmal nicht erkannt! Herzlich grXe ich dich, Siddhartha, herzlich freue ich mich, dich nochmals zu sehen! Du hast dich sehr verXndert, Freund. X Und nun bist du also ein FXhrmann geworden?"
Freundlich lachte Siddhartha. "Ein FXhrmann, ja. Manche, Govinda, mXssen sich viel verXndern, mXssen allerlei Gewand tragen, ihrer einer bin ich, Lieber. Sei willkommen, Govinda, und bleibe die Nacht in meiner HXtte."
Govinda blieb die Nacht in der HXtte und schlief auf dem Lager, das einst Vasudevas Lager gewesen war. Viele Fragen richtete er an den Freund seiner Jugend, vieles musste ihm Siddhartha aus seinem Leben erzXhlen.
Als es am andern Morgen Zeit war, die Tageswanderung anzutreten, da sagte Govinda, nicht ohne ZXgern, die Worte: "Ehe ich meinen Weg fortsetze, Siddhartha, erlaube mir noch eine Frage. Hast du eine Lehre? Hast du einen Glauben, oder ein Wissen, dem du folgst, das dir leben und rechttun hilft?"
Sprach Siddhartha: "Du weiXt, Lieber, dass ich schon als junger Mann, damals, als wir bei den BXern im Walde lebten, dazu kam, den Lehren und Lehrern zu misstrauen und ihnen den RXcken zu wenden. Ich bin dabei geblieben. Dennoch habe ich seither viele Lehrer gehabt. Eine schXne Kurtisane ist lange Zeit meine Lehrerin gewesen, und ein reicher Kaufmann war mein Lehrer, und einige WXrfeIspieler. Einmal ist auch ein wandernder JXnger Buddhas mein Lehrer gewesen; er saX bei mir, als ich im Walde eingeschlafen war, auf der Pilgerschaft. Auch von ihm habe ich gelernt, auch ihm bin ich dankbar, sehr dankbar. Am meisten aber habe ich hier von diesem Flusse gelernt, und von meinem VorgXnger, dem FXhrmann Vasudeva. Es war ein sehr einfacher Mensch, Vasudeva, er war kein Denker, aber er wusste das Notwendige so gut wie Gotama, er war ein Vollkommener, ein Heiliger."
Govinda sagte: "Noch immer, o Siddhartha, liebst du ein wenig den Spott, wie mir scheint. Ich glaube dir und weiX es, dass du nicht einem Lehrer gefolgt bist. Aber hast nicht du selbst, wenn auch nicht eine Lehre, so doch gewisse Gedanken, gewisse Erkenntnisse gefunden, welche dein eigen sind und die dir leben helfen? Wenn du mir von diesen etwas sagen mXchtest, wXrdest du mir das Herz erfreuen."
Sprach Siddhartha: "Ich habe Gedanken gehabt, ja, und Erkenntnisse, je und je. Ich habe manchmal, fXr eine Stunde oder fXr einen Tag, Wissen in mir gefXhlt, so wie man Leben in seinem Herzen fXhlt. Manche Gedanken waren es, aber schwer wXre es fXr mich, sie dir mitzuteilen. Sieh, mein Govinda, dies ist einer meiner Gedanken, die ich gefunden habe: Weisheit ist nicht mitteilbar. Weisheit, welche ein Weiser mitzuteilen versucht, klingt immer wie Narrheit."
"Scherzest du?" fragte Govinda.
"Ich scherze nicht. Ich sage, was ich gefunden habe. Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. Man kann sie finden, man kann sie leben, man kann von ihr getragen werden, man kann mit ihr Wunder tun, aber sagen und lehren kann man sie nicht. Dies war es, was ich schon als JXngfing manchmal ahnte, was mich von den Lehrern fortgetrieben hat. Ich habe einen Gedanken gefunden, Govinda, den du wieder fXr Scherz oder fXr Narrheit halten wirst, der aber mein, bester Gedanke ist. Er heiXt: Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr! NXmlich so: eine Wahrheit lXsst sich immer nur aussprechen und in Worte hXllen, wenn sie einseitig ist. Einseitig ist alles, was mit Gedanken gedacht und mit Worten gesagt werden kann, alles einseitig, alles halb, alles entbehrt der Ganzheit, des Runden, der Einheit. Wenn der erhabene Gotama lehrend von der Welt sprach, so musste er sie teilen in Sansara und Nirvana, in TXuschung und Wahrheit, in Leid und ErlXsung. Man kann nicht anders, es gibt keinen andern Weg fXr den, der lehren will. Die Welt selbst aber, das Seiende um uns her und in uns innen, ist nie einseitig. Nie ist ein Mensch, oder eine Tat, ganz Sansara oder ganz Nirvana, nie ist ein Mensch ganz heilig oder ganz sXndig. Es scheint ja so, weil wir der TXuschung unterworfen sind, dass Zeit etwas Wirkliches sei. Zeit ist nicht wirklich, Govinda, ich habe dies oft und oft erfahren. Und wenn Zeit nicht wirklich ist, so ist die Spanne, die zwischen Welt und Ewigkeit, zwischen Leid und Seligkeit, zwischen BXse und Gut zu liegen scheint, auch eine TXuschung."
"Wie das?" fragte Govinda Xngstlich.
"HXre gut, Lieber, hXre gut! Der SXnder, der ich bin und der du bist, der ist SXnder, aber er wird einst wieder Brahma sein, er wird einst Nirvana erreichen, wird Buddha sein X und nun siehe: dies "Einst" ist TXuschung, ist nur Gleichnis! Der SXnder ist nicht auf dem Weg zur Buddhaschaft unterwegs, er ist nicht in einer Entwickelung begriffen, obwohl unser Denken sich die Dinge nicht anders vorzustellen weiX. Nein, in dem SXnder ist, ist jetzt und heute schon der kXnftige Buddha, seine Zukunft ist alle schon da, du hast in ihm, in dir, in jedem den werdenden, den mXglichen, den verborgenen Buddha zu verehren. Die Welt, Freund Govinda, ist nicht unvollkommen, oder auf einem langsamen Wege zur Vollkommenheit begriffen: nein, sie ist in jedem Augenblick vollkommen, alle SXnde trXgt schon die Gnade in sich, alle kleinen Kinder haben schon den Greis in sich, alle SXuglinge den Tod, alle Sterbenden das ewige Leben. Es ist keinem Menschen mXglich, vom anderen zu sehen, wie weit er auf seinem Wege sei, im RXuber und WXrfelspieler wartet Buddha, im Brahmanenwartet der RXuber. Es gibt, in der tiefen Meditation, die MXglichkeit, die Zeit aufzuheben, alles gewesene, seiende und sein werdende Leben als gleichzeitig zu sehen, und da ist alles gut, alles vollkommen, alles ist Brahm an. Darum scheint mir das, was ist, gut, es scheint mir Tod wie Leben, SXnde wie Heiligkeit, Klugheit wie Torheit, alles muss so sein, alles bedarf nur meiner Zustimmung, nur meiner Willigkeit, meines liebenden EinverstXndnisses, so ist es fXr mich gut, kann mich nur fXrdern, kann mir nie schaden. Ich habe an meinem Leibe und an meiner Seele erfahren, dass ich der SXnde sehr bedurfte, ich bedurfte der Wollust, des Strebens nach GXtern, der Eitelkeit, und bedurfte der schmXhlichsten Verzweiflung, um das Widerstreben aufgeben zu lernen, um die Welt lieben zu lernen, um sie nicht mehr mit irgendeiner von mir gewXnschten, von mir eingebildeten Welt zu vergleichen, einer von mir ausgedachten Art der Vollkommenkeit, sondern sie zu lassen, wie sie ist, und sie zu lieben, und ihr gerne anzugehXren. X Dies, o Govinda, sind einige,von den Gedanken, die mir in den Sinn gekommen sind."